Als Siebenjähriger erlebte ich 1958 eine meiner frühesten Geistererinnerungen. Eines Nachts wachte ich plötzlich auf, weil ich dachte, den gleichen Sirenenton wie im kürzlich gesehenen Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ zu hören. Die Sirenen im Film hatten mir Gänsehaut bereitet, also dachte ich, jemand sei in Gefahr.

Ich stieg aus dem Bett und suchte nach meiner Familie. In der Küche sah ich meine Mutter und meine ältere Schwester im Schlafanzug und Bademantel, die durch das Fenster auf das Haus unserer Nachbarn hinunterblickten. Die Nachbarn waren Polly, eine freundliche Frau mit dunklem Haar, und ihr Mann Murray, ein grauhaariger Bierliebhaber.

Draußen vor ihrem Haus stand ein Kombi oder Krankenwagen ohne Blaulicht, vielleicht ein Leichenwagen. Meine Mutter weinte, und meine Schwester schaute stumm zu. Als ich sie fragte, was passiert sei, sagten sie mir, dass Polly gestorben sei.

Ich wurde verwirrt, weil ich Polly draußen auf ihrem Vorgarten in einem langen weißen Nachthemd mit ihrem langen dunklen Haar sehen konnte, was ich zuvor noch nie gesehen hatte. Frauen trugen immer ihr Haar im öffentlichen Leben hochgesteckt. Sie lächelte und wirkte ruhig, völlig unbeeindruckt von der Hektik um sie herum.

Ich wollte etwas sagen, dachte mir aber anders, weil ich schon einmal Ärger bekommen hatte, indem ich „Märchen erzählte“. Polly zu sehen, ließ mich früh im Leben nachdenken, was „tot“ eigentlich bedeutete.

Diese Erfahrung hat mich nachhaltig beeindruckt und meine Neugier auf den Tod geweckt.


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