Vor einigen Jahren schickte man mich früh ins Bett, und ich schlief um 19:45 Uhr ein. Ich wachte um Mitternacht auf, weil ich dachte, jemand weine in meinem Zimmer. Als ich das Licht einschaltete, schrie etwas und die Glühbirne platzte. Ich spürte, wie Klauenmale auf meinem Gesicht erschienen, bevor ich ohnmächtig wurde.
Meine Mutter erschrak, als sie mein verletztes Gesicht am nächsten Morgen sah. Fünf lange, dünne Kratzer bedeckten meine Stirn und meinen Hals. Wir hatten zu der Zeit keine Haustiere, also konnte es kein Kätzchen sein. Darüber hinaus hatte mein Zimmer nur eine Tür und keine Fenster.
In den fünf Nächten nach dem Vorfall verschwand jede Kratzwunde nachts, bis sie alle weg waren. Am nächsten Tag entging ich nur knapp einem Lastwagen, der bei Rot über die Ampel fuhr. Der Fahrer lachte und fuhr einfach weiter.
Fünf Jahre später zogen meine Familie und ich in ein neues Haus um. In jener Nacht hörte ich Gesang in einer fremden Sprache vor meinem Fenster. Es war both gruselig, fröhlich und traurig zugleich. Noch heute hallt mir die Melodie im Ohr, doch die Worte kann ich nicht mehr wiedergeben. Nachdem der Gesang verstummt war, hörte ich Weinen und fand eine Lotosblume auf dem Fenstersims, als ich hinaus sah. Ich stellte sie auf mein Nachttisch, aber bis zum Morgen war sie verschwunden.
Bis heute verstehe ich nicht, was in jener Nacht geschehen ist, doch jede Nacht harre ich der Stunde, in der der Gesang wieder ertönen könnte, auch wenn ich daran zweifele, dass er zurückkehren wird.
Schreibe einen Kommentar